Seit einigen Jahren steigen die Zahlen der Korrekturen der weiblichen Labien (Venuslippen) stetig an. Das Netz ist voll von einem angeblichen Schönheitsideal zwischen den Beinen der Frauen. Freuen tut dies insbesondere die Chirurgen, klingelt es doch ganz gehörig in ihren Kassen, dass sich so viele Frauen untenrum nicht mögen, weil sie anders aussehen als die anderen.

Doch wer sind eigentlich „die anderen“?

Wo Aufklärung notwendig wäre, um endlich das Tabu zu brechen, dass sich Frauen trauen, ihre Intimbereiche zu zeigen und mit Stolz die Vielfalt dieser zu präsentieren, sich auszutauschen, darüber zu reden und nicht zuletzt sich selbst zu berühren und sich selbst zu lieben, setzt hier stattdessen eine Millionenindustrie an. Sie ist die am siebthäufigsten durchgeführte Schönheitskorrektur. Im Jahr 2005 waren es gerade mal 1.000 Frauen, ein Jahr später, also 2006, schon 5.440. Was seitdem passiert ist, mag ich mir gar nicht ausrechnen. 

Das Ärzteblatt schreibt, dass im Jahre 2015 weltweit rund 95.000 Operationen vorgenommen wurden, was sogar plastische Chirurgen überraschen würde. 

Die genannten Gründe sind vielschichtig. Von Problemen, psychischen wie körperlichen, Schmerzen, Scham wird alles genannt. Der Rubel rollt und mit ihm die Werbekampagnen, die mit besserem Sex werben. Doch wie soll der Sex bei Scham, was ein Gefühl unseres inneren psychischen Erlebens ist, durch eine Operation im Außen verschwinden? Aus meiner Sicht handelt es sich hier nur um eine kurzfristige Symptomverschiebung. Viel effektiver und sinnvoller wäre die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität.

Wege zur Heilung gibt es viele, von Coaching, Massagen, Ritualen, bis hin zu Selbsterfahrungsworkshops und Psychotherapien. Bei Kosten zwischen 2.000 bis 5.000 Euro für diese Schönheits-OP fragt sich auch, ob der alternative Weg nicht sogar der günstigere wäre. Aber um das liebe Geld scheint es an dieser Stelle gar nicht zu gehen. Viel mehr möchten wir in unserer schnelllebigen Gesellschaft alles jetzt und gleich haben. Leider sitzen wir einer Illusion auf, wenn wir glauben, alles im Außen bedienen und befriedigen zu können. Eine Pille hier und ein Gläschen Wein da und mal kurz eine Schönheits-OP dort. Die Werbung suggeriert uns, dass das der neue Lifestyle ist. Doch ist er das wirklich?

Was genau wird bei diesen Operationen überhaupt gemacht? In den meisten Fällen gibt es ein angebliches „ZUVIEL“ da unten, was die Frauen stört und was weggemacht werden soll. Dies geschieht ganz einfach durch eine örtliche Betäubung und ein Wegbrennen der Haut, modernere Verfahren nutzen mittlerweile Laser dafür. Man kann den Geruch der verbrannten Haut riechen. Mir reicht alleine die Vorstellung, um dabei ein echtes Ekelgefühl im Körper zu empfinden.

Hier bei uns sagt man gerne „der Fisch fängt am Kopf an zu stinken“ und genau dort sehe ich die Thematik auch angesiedelt. In den Köpfen herrscht ein Idealbild, wie es zwischen Ihren Beinen auszusehen hat. Ein Bild, welches noch geprägt ist von einer patriarchalischen Kultur und insbesondere der Pornografie, welches den einzigen Wunsch zu haben scheint, dem Mann zu gefallen. Man möchte zur Barbie werden und gönnt sich kurzerhand eine Vagina aus dem Labor.

Im Vergleich dazu lassen sich nur sehr wenige Männer irgendwas an ihrem Phallus korrigieren und schon gar nicht, um dem anderen Geschlecht zu gefallen. Wären Penisverlängerungen einfacher und unkomplizierter möglich, würde sich hier aber wohl ein ähnliches Bild abzeichnen, nur in die entgegengesetzte Richtung. Mann möchte mehr haben und Frau lässt sich entfernen, damit sie weniger hat.

Warum ist da so?

Den Grund dafür sehe ich in den Bedingungen, wie unterschiedlich Jungen und Mädchen in Bezug auf ihr eigenes Geschlecht erzogen werden und wie intensiv sie sich selbst damit auseinandersetzen und in Kontakt gehen. Was durch das nach außen Sichtbare für einen Mann leicht erscheint, wird bei der Frau durch das sich im Inneren des Körpers befindliche erst einmal erschwert. 

Hinzu kommt, dass fast keine Frau, die Kinder bekommt, zuvor selbst ihre sexuellen Wunden geheilt hat und somit gibt sie weiter, was sie selbst nicht besser weiß und der Kreislauf setzt sich somit fort. Mädchen und Frauen sind oft nicht mit ihrem Geschlecht in Kontakt, wir bewohnen unser Geschlecht dann nicht. Und wer sein Geschlecht nicht bewohnt, kann es nicht fühlen und lässt damit Dinge machen, welche im Umkehrschluss nicht zum Tragen kämen, wenn wir in Kontakt stünden. Diesen Prozess kenne ich von mir selbst. Und rufe deshalb auch gerne dazu auf, dass es andere Wege gibt, um z. B. mehr Freude am Sex zu haben.

Infolge der Nichtauseinandersetzung in jungen prägenden Jahren (und hierbei sei dem kritischen Leser gegenüber ruhig angemerkt, dass wir vom ersten Lebensweg an sexuelle Wesen sind) verlieren wir den Kontakt, spüren kaum bis gar nichts, haben keine Orgasmen und lassen im Ergebnis daraus oftmals auch im Kontakt zum anderen Geschlecht viel zu viele Dinge machen, die wir später gar bereuen. 

Hätte es zu meiner Jugend schon einen Hinweis auf Labienkorrekturen gegeben, so hätte ich es vermutlich auch getan. Denn auch ich zählte zu den Frauen, die sich für ihr Geschlecht schämte und nichts damit anzufangen wusste. Eine Frau ohne Kontakt zu ihrem Körper, ihrem Intimbereich und auch nicht zu ihrer Seele und ihrer Intuition. Ich fühlte mich wie „abgeschnitten“. Ein Körper, mit dem ich jeden Tag unterwegs war, der mich nährte, mich auf den Füßen und dem Rücken trug und mit dessen Bauteilen ich nichts anzufangen wusste, weil sie einfach nicht „funktionierten“. 

Heute bin ich sehr froh darüber, dass meine schönen hervortretenden Labien nicht einem Kolbenbrenner freiwillig zum Opfer gefallen sind. Heute liebe ich sie, meine Yoni mit ihren Labien und allem was dazu gehört, heute spüre und fühle ich sie und habe im Kontakt mit ihr erfahren, wie empfindsam sie ist und wie brutal ich einst mit vielen Dingen zu ihr gewesen bin. Sie ist Freundin und ein heiliger Tempel für mich, dessen Zutritt man sich verdient haben muss. 

Dieses Verhältnis zum eigenen Intimbereich wünsche ich jeder Frau, insbesondere denen, die gerade über eine Labienkorrektur nachdenken. Ich möchte noch ergänzen, dass ich im Zuge meiner Arbeit viele unterschiedliche Labien und Yonis gesehen und auch berührt habe und es war nicht eine einzige hässliche dabei. Jede für sich ist ein Meisterwerk der Natur und findet dort auch ihre Duplikate. Wer sich dazu gerne ein Bildband ansehen möchte, um sich davon zu überzeugen, dem empfehle ich das Buch „Tor ins Leben“.

Ich wünsche jeder Frau diesen liebevollen und achtsamen Blick nach unten. Legen Sie öfter mal Ihre Hand auf ihre Yoni und kommen sie so in Kontakt mit ihr und ihren Bedürfnissen. Erwarten Sie nichts und lassen sie sich stattdessen überraschen. Nehmen sie sich die Zeit die es braucht, wieder mit Mutter Natur in Kontakt zu kommen. 

Quellen:

http://www.schamlippenverkleinerung-info.de/intimchirurgie/aktuelle-studien.html

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/72911/Labioplastik-Gynaekologen-warnen-vor-neuem-Trend

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https://www.stern.de/neon/herz/liebe-sex/sexbewusst/welche-bereich-weiblicher-sexualitaet-kommen-in-der-wissenschaft-nicht-vor–8120484.html